"Das Problem der Konversion ist das der Wiedergeburt,

ja der Heilsgeschichte selbst,

und man könnte sagen,

dass in Christus die Menschheit zu Gott konvertiert und zum Paradiese."

Hugo Ball

 

 

 

Mit angehaltenem Atem - Epiphanie 1959:

Kindergarten St. Ida - Münster Gremmendorf

 

*

 

 

"Mit einem Wort:

die Konversion ist nur eine Episode

in einem meist bis zur Kindheit zurückführenden Ablauf."

Hugo Ball

*

"Wer sich dann der katholischen Kirche  zuwendet, der wird nicht das laute Gespräch suchen (...).

Argumente des Aggiornamento führen lediglich in die Wüsten des Dazwischen.

Die wenigen, die Gott erfahren haben, haben das nicht nötig.

Sie werden die elegante Lösung wählen: It's all instinctive."

 

Christian Heidrich. Geistiges Entzücken. Über Konversionen und Konvertiten.

In: Sinn und Form. Januar/Februar 2000

 

Die Fünfziger Jahre, in die meine Generation geboren wurde, kannten noch ein starkes katholisches Profil und ein Leben in jener Gewissheit, die unwiederbringlich verloren scheint:

 

 

"Katholisch bin und bleibe ich,

nichts soll mich von der Kirche reißen ...

Die wahre Lehr' ist allgemein,

sie bleibt sich gleich zu allen Zeiten;

nicht wankend kann die Wahrheit sein,

es irren die, die sie bestreiten."

 

 

Einige erfüllt diese Heilsgewissheit im Rückblick mit Wut, andere mit Wehmut. Als Kind aus einer „Mischehe“ nahm ich sie mit Faszination und zugleich einem Gefühl des Ausgeschlossenseins wahr. Erhebend waren die Gebete mit Tante Anneliese zum Schutzengel im Katholischen Kindergarten St. Ida. Geheimnisvoll das rot leuchtende Ewige Licht im Halbdunkel der Kirche und die Kreuzwegstationen an den Wänden. Gefährlich der Gang in die Nachbarstraße. Dort wohnten die Katholiken. Sie verteidigten ihr Revier gegen uns Kinder aus der evangelischen Straße, besonders wenn zu Fronleichnam der Straßenaltar aufgebaut wurde. Unter ihnen war nicht nur beim Schmücken des Altars das Leben aus der eucharistischen Mitte spürbar, die wir nicht besaßen. Sie waren durch das Messopfer gestärkt und zugleich gestählt durch die Freizeiten der St. Georgs-Pfadfinder, sie zeigten Flagge bei den Prozessionen zur Muttergottes von Telgte, gingen jeden Sonntag als Familie zur Heiligen Messe und beugten die Knie vor dem Lamm Gottes, das hinwegnimmt ihre Sünden. Diese Welt ist längst untergegangen:

 

 

"Gott Dank, dass ich katholisch bin

und stets geschützt vor falschen Lehren;

katholisch sein ist mein Gewinn.

nie soll der Irrtum mich betören;

katholisch bin und heiße ich,

katholisch leb' und sterbe ich;

so werd' ich nicht verderben:

katholisch ist gut sterben."

 

 

In meiner Familie besuchte nur die katholische Großmutter die Vorabendmesse. Evangelisch getauft und konfirmiert ging ich wie Oma Selma(1899-2004) allein in den Gottesdienst, leitete später Kindergottesdienste und leistete den Zivildienst im Synodalen Jugendpfarramt. Im Studium der Evangelischen Theologie für das höhere Lehramt erlebte ich ab 1975 eine Welt ohne Geschichte. Wären nicht Lehrer wie Friedrich Ohly gewesen, ich hätte von dem Reichtum der Tradition wenig erfahren. Zwischen Bibel, Luther und Karl Barth lagen Wüstungen. Feinkörnig wie Sand war auch die Auslegung des Neuen Testaments durch Rudolf Bultmanns Epigonen. Was am Ende von der Heiligen Schrift übrig bliebt, war ein wenig Wüstenstaub an den Fingern.

So musste ich mich in meiner Identität als junger Lehrer und bald Ausbilder von Religionslehrern auf ein anderes Fundament stellen. Ich suchte nach erfahrungsbezogenen Zugängen zu Bibel, Gesangbuch und Kirchengeschichte, die sich bald als Schwerpunkte meiner Didaktik herausstellten. An Erzählungen von Engeln und Heiligen interessierte mich das in ihnen verborgene biographische Zeugnis vom Wunder des Glaubens. So stieß ich auf der Suche nach Orientierung auf Rudolf Ottos Buch "Das Heilige" (1917). Otto hatte am Gymnasium Andreanum die Reifeprüfung abgelegt. Nun unterrichtete ich an dieser Anstalt in unmittelbarer Nachbarschaft zur Michaeliskirche des Heiligen Bernward.

 

 https://www.andreanum.de/index.php/unsere-schule/geschichte/alte-andreaner/historische-andreaner-innen/43-rudolf-otto

 

Auch Hans Urs von Balthasars „Theodramatik“ und „Große Heilige“ von Walter Nigg schenkten mir Orientierung. Der reformierte Pfarrer einer kleinen Gemeinde bei Zürich hatte mit seinen Büchern über die Heiligen ein katholisches Publikum erreicht, das nun sein Erbe fern des Glanzes alter legendarischer Vergoldung sehen lernte. Walter Nigg moralisierte nicht, wie es heute wieder kirchlicher Brauch geworden ist, sondern erzählte auf dem Hintergrund eigener Erfahrungen von den Labyrinthwegen des Herzens. So wurde Hagiografie zum Spiegel biografischer Selbsterkenntnis.

Bei Herder hatte ich Bücher über Engel, Heilige und die großen Symbole des Christentums veröffentlicht. Ich hielt Vorträge in Gemeinden, Kindergärten, Schulen, Akademien. 1995 lud mich Barbara Hallensleben zu dem Engelsymposion „Un ange passe…“ nach Fribourg ein und ermutigte mich, die Biografie Walter Niggs zu schreiben. Mit ihr wurde ich an der Katholischen Fakultät zum Doktor der Heiligen Theologie („Sacrae Theologiae Doctor“), wie es auf der lateinischen Urkunde hieß, promoviert.

Die Schülerin Erwin Iserlohs („Der Thesenanschlag fand nicht statt!“) ist Professorin für Dogmatik und Theologie der Ökumene. Papst Franziskus berief sie unlängst in die Studienkommission zur Überprüfung einer Zulassung von Frauen zur Diakoninnenweihe. In Fribourg erlebte ich die geistige Weite und Vielfalt einer katholischen Theologie mit ökumenischem Horizont, die vor allen Dingen auch die Kirchen des Ostens in den Blick nimmt.

 

 

 

Wenn Engel lachen: Vom Konvertiten zum norwegischen Bischof -

Erik Varden in himmlischer Schwingung mit Sr. Monica Lawry OSB

im Kloster Marienrode/Hildesheim (2020).

Hier seine homepage:

https://coramfratribus.com/

 

 

Ich folgte der Einladung, in den Klöstern Mariastein, Einsiedeln und Engelberg Exerzitien zu halten, lernte wunderbare Ordensleute kennen, durfte ihr Engelleben im Stundengebet und in der Schönheit der Liturgie teilen. An der Seite von Pater Franz OFM begab ich mich auf Pilgerreise nach Assisi und hörte auf dem La Verna die Lauretanische Litanei. Bei meinem Besuch im Kloster Einsiedeln (1996) schenkte mir Martin Werlen OSB die Regel seines Ordens. Ich bat um eine Widmung. Ja, was solle er schreiben? Das vielleicht wichtigste Wort des Heiligen Benedikt aus seiner Regel! Der Novizenmeister und Schulmeister überlegte, nahm das Buch wieder an sich und schrieb: "si revera Deum quaerit".

 

 

 

Hinter dem Schleier liegt das Geheimnis:

Eine Replik von Sr. M Ruth Nussbaumer OCist.

 

Im Kloster Engelberg hielt ich 1994 Vorträge für die

Novizenmeisterinnen und -meister des Zisterzienser- und Benedikterordens.

 


Vor einem Austritt aus meiner Kirche scheute ich zurück. Ich habe das evangelische Kirchenlied - auch als Erbe meiner Mutter - immer geliebt, allen voran die vielstrophigen Gesänge Paul Gerhardts und Gerhard Tersteegens. Unzählige Male habe ich meinen Kindern „Der Mond ist aufgegangen“ oder „Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“ zum Einschlafen vorgesungen. Es gibt nichts Vergleichbares in meiner Muttersprache. Konnte ich nicht in der evangelischen Kirche katholisch sein? Seit Friedrich Heiler haben evangelische Pfarrer versucht, eine evangelische Katholizität in apostolischer Sukzession nach dem Vorbild der schwedischen Staatskirche zu leben. Einige von ihnen haben sich als Mitglieder einer Bruderschaft sogar zum Priester weihen lassen. In den meisten Fällen geschah dies, ohne dass der Kirchenvorstand davon erfuhr. Es gibt viel heimliche Weisheit und katholische Sehnsucht unter den evangelischem Pfarrern, aber noch mehr Angst vor Überfremdung unter den Gemeindemitgliedern. Evangelische Identität besteht oftmals aus reiner Abgrenzung gegenüber der katholischen Tradition. In der evangelischen Kirche kann man nicht katholisch sein. Man muss den Sprung in die Mitte wagen, gerade jetzt, wo die Altäre immer mehr verhüllt werden und der Mundbinde mehr zugetraut wird als der Eucharistie. Wir erleben „Die sterbende Kirche“ (1936), die Edzard Schaper in einem Roman beschrieben hat, aber auch den „Letzten Advent“ (1953), den ein Anschlussroman eröffnet. Die Kirche findet zu ihren Ursprüngen zurück und wird daran gesunden.

In einer Zeit der großen Wende gründete Benedikt von Nursia ein Kloster und stellte das Leben der Mönche in eine feste Ordnung, in demselben Jahr 529, als die Akademie Platons als höchstes Symbol der Weisheit dieser Welt geschlossen wurde. Benedikts Schule des Glaubens diente nicht nur der Stabilisierung des Einzelnen, sondern war als Kulturstiftung auch die Bewahrung einer von Auflösung bedrohten Tradition. Ich meine etwas von diesem Geist zu spüren, wenn ich die Heilige Messe mitfeiere. Hier wird eine Ordnung erfahrbar, die weltweit gilt und trägt. Im Messopfer wird die Mitte des Glaubens erfahrbar: Gottes Gegenwart. Hier beugen Menschen die Knie vor dem Geheimnis des Glaubens. Hier erfahren sie Vergebung und Befreiung. Christus spricht nur ein Wort, und die Seele wird gesund.

 

 

Pfarrer Thomas Blumenberg

vor der Messe in St. Cosmas und Damian/Gross Düngen

 

Zu den geheimnisvollen Fügungen auf dem Weg zur Mitte gehörte schließlich die Begegnung mit Pfarrer Thomas Blumenberg von St. Gallus in Detfurth. Ich wusste seit Jahren, dass in seiner Kirche einige der Vorfahren meines Lehrers getauft und gefirmt worden waren. Mir war auch bekannt, dass der Priester und der Philosoph entfernt miteinander verwandt waren. Aber erst meine Arbeit an der Biographie Hans Blumenbergs führte mich in die Messe dieses Pfarrers. Da fühlte ich: Hier gehörst du hin. So kam ich an, wo ich schon immer gewesen war.

 

 

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"Wir haben gesagt, dass der Konvertit in vieler Hinsicht der Erbe der Vergangenheit ist,

die positiv christlich zu werten ist. Das bedeutet aber:

Der Konvertit soll dieses Erbe in das gemeinsame Vaterhaus mitbringen,

da dadurch die Kirche reicher werden kann an christlichen Verwirklichungen.

Man sollte es den Konvertiten anmerken, dass sie evangelisch waren.

Sie sollen ihr Erbe nicht bloß als Vergangenes, sondern als Auftrag an die neue Kirche betrachten."

 

Karl Rahner. Über Konversionen (1953). In: Sämtliche Werke. Band 14. S. 33.

 

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St. Gallus-Kirche in Detfurth,

einst Mutter- oder Archidiakonatskirche des Flenithigaus.

 

 

 

Gallarus Oratory, Dingle, County Kerry (2000)

 

 

 

Petersdom, Vatikan (2008)

 

 

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"In der Liturgie begegnet mir der äusserste Anspruch.

Jede Kommunion ist ein dem Tod ins Auge Sehen.

In der heiligen Messe stehen wir lebendig in der umfassendsten Gemeinschaft, die es gibt:

Leben und Tod,

Erde und Himmel,

Leib und Seele

werden hier nicht durch Gedanken oder Vorstellungen in enge Verbindung gesetzt,

sondern sind in ihrem Wesen und Tun verbunden.

(...)

Liturgie ist Herausforderung unserer Anbetung

und Annahme dieser Herausforderung.

Wer begriffen hat,

was hier geschieht,

kann sich nicht mehr mit der gelegentlichen Teilnahme begnügen."

 

John Hennig. Die bleibende Statt (Autobiographie) S. 192

 

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Erntedankfest 2020

 

 

Mariae Lichtmess 2. Februar 2021

 

 

Palmsonntag, 28. März 2021

 

 

Wasser des Lebens:

Osternacht

 

 

 

 

Fronleichnam 2021

Pfarrer Thomas Blumenberg und Diakon Dr. Christopher McDonald

 

 

 

 

 

Herz Jesu Altar im Pfarrgarten

 

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Auch Kirchengebäude bedürfen der Pflege:

Vorbereitung der Gedenkmesse zum 77. Todestag von Pfarrer Joseph Müller

(St. Cosmas und Damian - Groß Düngen, 11. September 2021)

 

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Mein erstes Jahr in St. Gallus

 

Ich suche einen Platz in der letzten Bank. Zwar bin ich Doktor der katholischen Theologie und habe viele Bücher über Engel und Heilige geschrieben, aber in der liturgischen Praxis bin ich ein grüner Junge. Undine hatte die beiden Sakramente schon als Kind empfangen. Von Pastor Kemming erhielt sie die erste heilige Kommunion und einen guten Schwimmunterricht. Bischof +Heinrich Maria Jansen firmte sie.

Für Konvertiten ist der Platz unter der Orgelempore bestens geeignet, um mit der Vielfalt liturgischer Abläufe vertrauter zu werden. Hier erlebe ich Schönheit der Anbetung und kann mich in die Gesten einschwingen: Die Verbeugung vor dem Allerheiligsten, die Bekreuzigung von Stirn, Mund und Herz. Sie erklärt sich selbst als Symbol des ganzen Menschen mit Denken, Sprechen und Glauben. Niemand muss mir das große Kreuz erklären. Da erscheint in der Bewegung zwischen Vertikale und Horizontale der Mensch - ausgespannt zwischen Himmel und Erde. Das Kreuz ist uns auf den Leib geschrieben. Die weit ausgebreiteten Arme des Priesters und das anschließende Kreuzzeichen durchdringen das Kirchenschiff bis zur letzten Bank mit dem Segen des Himmels.

Welche Vielfalt der Hingabe sehe ich: Einer kniet in aufrechter Haltung des Oberkörpers, ohne sich mit den Händen abzustützen. Schmerzen ihm nicht die Gelenke? Ein anderer bleibt sitzen. Vielleicht hat er ein Gebrechen. Vielleicht braucht er heute diese Bodenhaftung. Das bleibt sein Geheimnis. Die Körpersprache ist auch eine stumme Predigt: Ein vom hohen Alter gebeugter Mann betet noch immer auf ein Knie gestützt. Denn hier in der Kirche ist Gott gegenwärtig und will uns dienen. Gottesdienst ist auch der Dienst, den Gott dem Menschen in Christus erweist. Diese Nähe hält nicht jeder aus.

Die Gesten der Hingabe berühren und bewegen mich. Sie bezeugen die angemessene Haltung, wenn Gott gegenwärtig ist. „Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge“ (GL 387. 1), dichtete Gerhard Tersteegen. Das Beugen von Knie und Haupt ist Ausdruck einer inneren Haltung. Wir beugen die Knie des Herzens vor Gott.

Wandlung und Umkehr: In einer langen Reihe bewegt sich die Gemeinde zum Altar, um die heilige Kommunion aus der Hand von Pfarrer Blumenberg zu empfangen. In dieser frühen Morgenstunde ist er weder Gärtner noch Camper, sondern Christus selbst. Eine Frau geht auf die Knie, bevor sie sich die Hostie in ein schneeweißes Taschentuch legen lässt, mit dem sie ihre Hände verhüllt hat. Auf den Bildern der Anbetung haben Gottes Engel diese velierten Hände.

Am Wohlgeruch des Weihrauchs sparen die Messdiener nicht. In dichten Wolken steigt er unter die Kuppel mit den Chören der Engel. Manchmal dringt ein früher Sonnenstrahl durch eines der Fenster und macht das Opfer auch für die Augen sichtbar. Ich sehe und fühle: Wir sind sichtbarer Teil einer unsichtbaren, Himmel und Erde umspannenden Kirche. Sonntagmorgen um 9.00 Uhr versammelt sich in St. Gallus der pilgernde Teil der Kirche. Aber unter uns sind die lieben Verstorbenen anwesend, deren Leiber draußen vor der Kirchentür auf dem Friedhof bestattet wurden. Die Toten sind nicht tot. Sie warten wie wir auf die letzte Wandlung und Vollendung. Vor der Muttergottes können Lichter für die Verstorbenen gestiftet werden. Meine Großmutter versäumte nie eine Vorabendmesse und noch im Alter von 103 Jahren machte sie auf den Rollator gestützt einen leichten Knicks vor dem Allerheiligsten, wie sie es als Kommunionkind in Breslau gelernt hatte.

„Gott ist gegenwärtig, dem die Kerubinen Tag und Nacht gebücket dienen.“ (GL 387. 2) Wir feiern mit ihnen das Messopfer, den Seraphinen, Kerubinen und den Schutzengeln. Wir loben, preisen und beten an. Zwei kleine Messdienerinnen symbolisieren die Gegenwart der Engel. Was wäre dieser Sonntagvormittag in St. Gallus ohne sie und alle anderen, die am Altar dienen? Was wäre die frühe Morgenstunde ohne den Herrn im Messgewand, der uns an der Kirchentür in Empfang nimmt? Den Bruder Musikus an der Orgel, die Frauen am Lesepult, die Vorsängerinnen und alle anderen, die still und unerkannt im Hintergrund wirken? Was wäre sie ohne einen kunstsinnigen Pfarrer und Meister des Erzählens, der von „der schönen Gärten Zier“ (GL 865.1) sprechen kann und der „Maienkönigin“ (GL 896.1) Maria und dem heiligen Joseph, der Altes und Neues Testament mit der Geschichte der Kirche zu verknüpfen weiß; der als Seelsorger Mut zu einer eigenen Meinung hat und ein klares Wort der Unterscheidung nicht scheut, der mutig gegen den Strom schwimmt, wenn es das anvertraute Erbe zu bewahren gilt.

Ich sehe, was ich selten gesehen habe: Blumen einer üppigen Fülle und Schönheit des kirchlichen Lebens. Ihr Höhepunkt sind die Feste im Jahreslauf. Erntedank: Der Korb mit Äpfeln und Birnen vor dem Altar ist übervoll. Gesegnetes Obst schmeckt eindeutig besser. An Maria Lichtmess geweihte Kerzen leuchten daheim eindeutig wärmer. Die opulente Krippenlandschaft zu Weihnachten erzählt von der Gottesgeburt, die sich immer wieder in der Krippe des Herzens ereignet. Geburt, Tod und Auferstehung bilden eine Einheit. An Palmsonntag binde ich bunte Bänder in zwei Puschel mit dichtem Buchsbaum. Osterwasser nicht aus dem Apenteich in Winzenburg, sondern direkt von der Quelle des Lebens. Dann die erste heilige Kommunion. Mädchen in weißen Engelkleidern, Bräute Christi wie mancher Haarschmuck und weiße Kleider andeuten. Sie widersagen vor der Gemeinde dem Teufel und bekennen sich zu dem dreieinigen Gott. Auch die durchgestylten Jungen. Einige haben sich in die Stoppelhaare an den Schläfen Muster rasieren lassen. Über dem Herzens aber tragen sie eine weiße Weste, und in großer Stille und Würde beugen auch sie ihre Knie. Um die Zukunft dieser Kinder ist mir nicht bange. Denn das Sakrament ist ein unauslöschliches Siegel („character indelebilis“). Eltern und Großeltern, Patentanten und -onkel dürfen gelassen sein, falls die Stürme der Pubertät toben.

Es ist der Marienmonat Mai. Pfarrer Blumenberg trägt seinen Namen zurecht. Er hat den Marienaltar in St. Gallus wunderbar mit Blumen geschmückt. Nach der Messe gehen er und die Messdiener zu diesem Seitenaltar. Die Gemeinde singt ein Marienlied. Viele Lieder kenne ich, weil sie von evangelischen Dichtern wie Paul Gerhardt oder Gerhard Tersteegen stammen. Andere werde ich noch lernen. Konversion bleibt ein Pilgerweg.

Draußen im Pfarrgarten feiern wir Fronleichnam. Vielleicht das katholischste aller katholischen Feste. Eine Prozession zum Herz-Jesu-Altar schließt sich an. Die Litanei beginnt. Sie schenkt einen langen Atem wie das Rosenkranz-Gebet in der Schönstatt Kapelle. Dieses Kleinod auf dem Hügel habe ich zu jeder Jahreszeit besucht, Kerzen geopfert und zur Muttergottes mit dem Jesuskind aufgeschaut. „Servus mariae nunquam peribit“ lese ich „Wer Maria dient, kann niemals verlorengehen“. Wer braucht mehr Beistand?

Früher wurden Konvertiten noch einmal getauft. Heute wird die evangelische Taufe anerkannt. Doch ein Ehesakrament und eine Firmung kennt die evangelische Kirche nicht. Die katholische Kirche bietet in ihren Gesetzen die Möglichkeit einer Anerkennung (gemäß cann. 1161 und 1165 § 2 CIC) einer evangelisch geschlossenen Ehe. Das Verfahren hat den gefährlich klingenden Namen „Sanatio in radice“ und bedeutet „Heilung bis in die Wurzel“. Unsere „Wurzelbehandlung“ durch Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ brauchte keine Betäubung und war völlig schmerzlos. Die von Pastor Klaus-Daniel Serke in Bad Salzdetfurth geschlossene Ehe wurde als katholisch anerkannt. So geht Ökumene!

 

 

Firmung durch Bischof + Heiner Wilmer 

am 18. Juni 2021

 

Ein Gespräch mit dem Bischof von Hildesheim aus dem Zoë Magazin

a title="Gespräch Bischof Heiner Wilmer Zoe Magazin"""https://zoe-magazin.de/2019/04/09/22-fragen-an-bischof-heiner-wilmer-scj/

 

 

Nun stand die Firmung noch aus. Bei Konvertiten firmt in der Regel der Pfarrer. Zuerst war eine kleine Feier mit der Gemeinde geplant. Dann aber kam die Zeit der Masken. Sie wollte kein Ende nehmen. Da bot sich nach Pfingsten 2021 die Möglichkeit einer Firmung in der Privatkapelle des Bischofs. Ein Zeitfenster in seinem übervollen Terminkalender hatte sich auf wunderbare Weise geöffnet. 

 

 

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„Die Aufgabe jeder Kirche wird es vielmehr sein,

ganz das zu sein oder zu werden, was sie bestimmungsgemäß sein sollte.“

 

Kurt Aland. „Über den Glaubenswechsel in der Geschichte des Christentums“ (1961)

 

 

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